Mitte-Links-Regierungen scheitern nicht gesetzmäßig
Debattenbeitrag in der Tageszeitung Neues Deutschland
In seinen elf Thesen, die jüngst in dieser Zeitung veröffentlicht wurden,
stellt Raul Zelik fest, dass Mitte-Linksregierungen weder »notwendig
(seien) oder auch nur im Regelfall progressive Politik nach sich
ziehen«. Eher lasse sich das Gegenteil nachweisen, da sie »in den
vergangenen 30 Jahren in Europa häufig jene Modernisierung im Sinne des
Kapitals durchgesetzt haben, an die sich konservative Parteien nicht
herantrauten«.
Dieser empirische Befund ist angesichts der europäischen Erfahrungen nicht zu bestreiten: Die Union de la Gauche in Frankreich Anfang der 1980er Jahre, Rot-Grün in Deutschland und die Regierung Hollande in Frankreich - sie alle wurden von großen Hoffnungen auf einschneidende Reformen begleitet. Sie alle vollzogen in kürzester Zeit eine neoliberale Kehrtwende und enttäuschten die in sie gesetzten Hoffnungen.
Spätestens das Scheitern der Union de la Gauche, die kaum ein halbes Jahr nach Regierungsbeginn unter dem Druck des nationalen und internationalen Kapitals, der Medien und der Drohung mit Kapitalflucht ihr ursprüngliches Programm aufgab und die Wende zu neoliberaler Politik in Frankreich einleitete, signalisierte das »Ende des sozialdemokratischen Zeitalters«. Ein vergleichbares Szenario führte 1999 zum Rücktritt Oskar Lafontaines als Finanzminister und jüngst zum Übergang Hollandes zu einer französischen Version der »Agenda«-Politik.